Wer geraden Weges wandelt, ziehe in Frieden, dorthin, wo sie auf ihren Lagern ruhen.“ (Jesaja 57,2).
Mit diesen Worten (in hebräischer Schrift) wurde der Besucher, der durch den Haupteingang den alten jüdischen Friedhof in Frankfurt betrat, ursprünglich begrüßt. Heute ist der Zugang jedoch nicht mehr über dieses Portal, gestaltet mit dorischen weißen Säulen, sondern über einen, wenige Schritte entfernten, schmucklosen Nebeneingang möglich.
Die Reihen der Grabsteine auf dem 1828 eröffneten Friedhof wirken ordentlich, auch wenn der Zahn der Zeit an vielen Stellen mal mehr, mal weniger stark genagt hat. Kein gnädig umhüllendes Efeugerank schmückt und verdeckt diese Altersschäden. Der eine oder andere traditionell am ersten Todestag aufgestellte Stein befindet sich mittlerweile in einer bedrohlichen Schieflage.
Symbole weisen auf Herkunft, Beruf oder Namen hin. So stechen beispielweise wiederholt Hände ins Auge, deren Haltung an den Vulkanischen Gruß erinnert. Was kein Zufall ist: Die Begrüßungsgeste der Vulkanier ist angelehnt an einen jüdischen Segen, dem Birkat Kohanim. Am Rande sei erwähnt, dass Zachary Quinto, der in einigen Star-Trek-Filmen den jungen Mr. Spock verkörperte, diesen Gruß auch nach längerem Üben nicht ausführen konnte. Mit einer entsprechenden Menge Klebstoff soll es letztendlich doch noch geklappt haben. Die segnenden Hände auf einem Grabstein weisen auf das Mitglied einer alten Priesterfamilie hin. Auch die Levitenkanne ist ein Symbol für die Abstammung. Die Aufgabe der Leviten war die kultische Reinheit im Tempel. So wuschen sie den Priestern vor dem Opferkult die Hände. Buch, Messer oder Feder symbolisieren hingegen das Amt, die zahlreichen Abbildungen von Tieren die Namen der Verstorbenen.
Ein prunkvoller Sarg mit Fransendecke – alles aus Stein – thront erhöht und spottet der traditionellen Bescheidenheit und Demut im Tode. Doch im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden orthodoxe Ansichten zunehmend abgelegt. Wie auf dem Frankfurter Hauptfriedhof, der den alten jüdischen Friedhof an drei Seiten umschließt, gestaltete man Grabstellen nun aufwendiger und prunkvoller.
Ins Auge fallen auch die im jüdischen Glauben eigentlich unüblichen Darstellungen von Menschen. Puttenähnliche Gesichter schauen mich von ihrem erhöhten Aufenthaltsort an. Und am Ende meines Besuchs fesselt das Grab von Bessy und Martin Deutz meinen Blick. Eine menschliche Gestalt, die in einer umarmenden Geste mit dem Grabstein zu verschmelzen scheint. Hände, Arme, wallendes Haar sind zu erkennen. Das Gesicht versinkt im Stein. Eine seltsam anmutende Szenerie.
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