Der alte jüdische Friedhof in Prag ist der bisher erste und einzige Friedhof, für den ich vor dem Betreten ein Ticket käuflich erwerben musste. Ebenso ist das Ablichten der Grabsteine nur mit einer kostenpflichtigen Erlaubnis gestattet, was aber so manchen Smartphone-Besitzer nicht wirklich gestört hat. Auf dem alten jüdischen Friedhof finden heutzutage keine Begräbnisse mehr statt, er wurde Bestandteil des Jüdischen Museums. Bevor ich allerdings den Friedhof bewundere, quäle ich mich durch das furchtbare Gedränge in der Alt-Neu-Synagoge. Zu viele Touristen und vor allen Dingen Schulklassen haben das gleiche Ziel. Ich sehe Namen, Namen, Namen. Unzählige säumen die Wände. Namen der in verschiedenen Konzentrationslagern während des zweiten Weltkriegs Umgekommenen. Beklemmend.
Auf dem Dachboden der Synagoge soll der Legende nach noch ein Haufen Lehm liegen. Lehm des berühmten Prager Golems. Als die Aufgabe des Golems erledigt war, entzog ihm Rabbi Löw wieder das Leben.
Der Friedhof in seiner Enge zwischen Fassaden und Hausrückwänden unter hoch gewachsenen Bäumen bot mehr „Besinnung“. Auch wenn man sich die stillen Augenblicke mit Geduld erkämpfen musste. Denn selbstverständlich strömten auch hier Touristen in Massen gefolgt von meist wenig interessierten Schülern durch den sehr schmalen Gang, der als einziger Weg über den Friedhof freigegebenen ist. Dicht an dicht stehen die Grabsteine, grau und schief und zerbröckelnd. In der Enge scheinen sich die Steine aneinander lehnen zu wollen. Obwohl eine unzählbare Masse an Steinen, wirken sie teils verloren. Wie eine Herde Schafe, die sich bei Blitz und Donner schutzsuchend zusammendrängt. Schmucklos, nur wenige kleine Steinchen auf den Grabsteinen, hier und da Geldstücke und Zettelchen mit Wünschen, scheinen die Verstorbenen dem Vergessen preisgegeben. Bis in alle Ewigkeit. Ein Grabmal direkt am Weg sticht trotz der sonst eigenen Bescheidenheit aus der Versammlung heraus: hier ruht Rabbi Löw, eine Legende der jüdischen Gemeinde zu Prag.
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