Es herrscht eine fast gespenstische Stille. Einzig meine Schritte hallen der hohen Decke entgegen. Und gelegentlich durchreißt das Klicken der Kamera die Geräuschlosigkeit. Schuldbewusst blicke ich mich um. Als könnten diese Klänge die besondere Atmosphäre dieses Ortes dauerhaft schädigen. Viele hundert Schädel scheinen mich aus ihren toten schwarzen Augenhöhlen heraus zu beobachten. So mancher Besucher dürfte angesichts dieses Anblicks erschauern. Doch auf mich üben diese Schädelanordnungen eine große Faszination aus. Ist ihnen doch eine gewisse Ästhetik nicht abzusprechen.
In den italienischen Ossarien in Mailand und bei Verona sind Skelettreste zumeist „übersichtlich“ sortiert. Sie bilden Reihen und Muster in schweren hohen Holzrahmen. Geordnet, doch auch künstlerisch drapiert. Gitter schützen vor Diebstahl, doch Berührungen sind erlaubt, sollen diese doch Glück bringen. So glänzt – aufgrund zahlreicher Kontakte Glückssuchender – der eine oder andere Schädel in den unteren Reihen.
Der Anblick unzähliger Schädel beeindruckt, stimmt aber ebenso nachdenklich. Nach einigen Minuten des Versenkens in sich selbst folgt auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Und dem eigenen Leben. Alpha und Omega. Das Omega wird gerne verdrängt. Doch das Ende eines jeden ist unausweichlich. Der eigene Tod ist weniger beängstigend als der Tod von Menschen, die einem wichtig sind und das eigene Leben mitbestimmen.
Doch ein Beinhaus war anders. In gewisser Weise erschütternd. Abgelegen in einem ländlichen Gebiet auf einem Hügel. Die Hänge mit Wein bewachsen. Im Keller einer Kapelle befinden sich auf hölzernen Regalbrettern schlicht aufgereiht die Schädel Kriegsgefallener. Mehrere Reihen übereinander. Ohne Gitter. Und ohne verspielte Leichtigkeit. Rechts und links. In einem Rundgang. Schädel mit teilweise unvorstellbaren Beschädigungen. Soldaten vieler Nationen des Habsburger Reiches. Gespaltene Schädel, zertrümmerte Schädeldecken, Löcher von Geschossen, zersplitterte Kiefer. Und plötzlich ist das Grauen der Schlachtfelder lebendig. Die Qualen so manches Todeskampfes vor dem geistigen Auge. Furchtbare Schmerzen mussten wohl erlitten werden, bevor der erlösende Tod seine Arme endgültig um den Sterbenden gelegt hat. Was mögen die Augen dieser Hinscheidenden als Letztes gesehen haben? Waren noch Gedanken übrig über das Leben und Sterben? Und dem Warum?
In einem Glaskasten liegt – wie eine Reliquie – der Schädel eines „heldenhaften“ Offiziers. Gevatter Tod macht jedoch keine Unterschiede. Nur der Mensch teilt auch nach dem Tod die eigene Gattung auf…
3 Comments
Ich wiederhole mich gerne 😉 Schaurig-schön und faszinierend, danke Dir für’s mitnehmen 🙂
Faszinierende Bilder! Da muss ich auch noch mal unbedingt hin. Aber der nächste Italien-Urlaub ist schon sicher, nur dieses Jahr nicht.
Wir hatten in Italien eher die Erfahrung gemacht, dass die Beinhäuser abgeschlossen sind und man extra Schlüssel sich von der Verwaltung holen muss. War das hier auch der Fall?
Jedenfalls ganz umwerfende Fotos!! #hach
Danke für eure Kommentare. Es freut mich, wenn meine Begeisterung geteilt wird.
Alle vier Beinhäuser waren frei zugänglich. Allerdings gab es zumindest bei einem Beinhaus eine Art Mittagspause, in der das Tor zum Gelände, auf dem das Beinhaus steht, verschlossen wurde. Glücklicherweise hatte ich meinen Besuch auf den Vormittag gelegt.