Das Tor des historischen jüdischen Friedhofs in Frankfurt ist nicht nur an Sabbat, dem Ruhetag im Judentum und an religiösen Feiertagen verschlossen. Eine Besichtigung ist trotzdem möglich. Um die Schlüsselgewalt zu erhalten, muss man seinen Personalausweis im nebenan gelegenen Museum abgeben.
Der kurze Weg zum Eingang führt an einer als Mahnmal gestalteten Mauer entlang. Eine Vielzahl kleiner, in das Mauerwerk eingelassener Quader erinnern an die etwa 12.000 aus Frankfurt verschleppten und ermordeten jüdischen Bürger. Auch der Name Anne Frank ist auf einer der Tafeln zu lesen. Unter dem jeweiligen Namen ist Geburts- und Todestag sowie der Sterbeort zu lesen. Doch so manche freie Stelle zeugt von Unwissenheit. Tag und Ort des zumeist gewaltsamen Ablebens: unbekannt. Ein verschollenes Leben.
Leicht öffnet sich das Gittertor. Wie durch eine Glocke geschützt bleibt die „Welt“ vor der Mauer. Dahinter scheint eine andere Zeit zu herrschen. Mich erwartet ein offenes Areal. Kurz geschnittenes Gras. In der Mitte bilden Trümmer zerstörter Steine einen Haufen, über den sich langsam das Grün der Natur legt. Zu einem großen Teil wurde der zweitälteste jüdische Friedhof in Deutschland während der Bombenangriffe 1943/44 zerstört. Doch in einer Ecke drängen sich unter großen Bäumen schiefe Grabsteine zusammen. Dicht an dicht. Sich gegenseitig schützend und stützend. Die sehenswerten Reste eines mittelalterlichen Begräbnisplatzes, auf dem sich die Gestalten der Verstorbenen, die in der engen Gemeinsamkeit den Tag der Auferstehung erwarten, schemenhaft materialisieren. Andere Grabsteine, die vor den Bombardements gerettet werden konnten, stehen rundherum entlang der Mauer. Versehen mit hebräischer Schrift und sogenannten Hauszeichen, die auch auf den Familiennamen hindeuten. So sind unter anderem Windmühlen, Rinder, Drachen, Bienenkörbe und Schmetterlinge als Relief zu erkennen.
Eine Art Ehrenfeld beherbergt auf einem befestigten Teil Grabsteine bekannter Persönlichkeiten, auf denen sich zahlreiche, mit Steinen beschwerte Zettel stapeln. Doch so manches Blatt mit frommen Wünschen und Bitten hat der Wind ergriffen und weggetragen. Ähnlich wie die mit der Zeit immer flüchtiger gewordenen Gedanken an die Toten…
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