Im Inneren eines menschlichen, an einem Luftballon hängenden Brustkorbs befindet sich ein leuchtend roter Kardinal. Beschützer und Geschütztes? Oder ein flüchtendes Herz? Kann ein Mensch ohne Herz existieren? Was wären wir ohne Tiere?
Finken und Kanarien schweben über einem leeren Stahlkäfig. Ihrem Käfig? Eine Umkehrung des Lebens eines Vogels im Käfig. Ihre Welt. Freiheit. Der Käfig bleibt leer.
Ein dunkler fauliger alter Holzsarg. Aus den Ritzen schlüpfen zahlreiche gelbe Küken heraus. Wie Maden aus einer Leiche. Die Schnäbel weit aufgerissen. Kraftvoll drängen sie dem Leben entgegen. Eine Symbiose aus Vergehen und Werden. Der Zyklus des Lebens.
Ratten in Sektgläsern, Küken an Ballons befestigt oder ein Vogel als Telefonhörer.
Verstörende und makabere Arrangements? Auf den ersten Blick vielleicht. Zugleich aber auch überaus anmutig und faszinierend. Anziehend. Der Tod hat eine gewisse Ästhetik, welche ebenso den Blick auf unsere tierischen Mitbewohner dieser Erde öffnet. Einem Blick, dem wir uns wohl zu oft verschließen.
Die Künstlerin, welche diese nachdenklichen Darstellungen erschuf, heißt Polly Morgan, ist 30 Jahre alt und lebt in London. Schon als Kind hatte sie eine besondere Beziehung zu Tieren und deren Tod. Sie inszenierte feierliche Begräbnisse und war immer sehr frustriert, dass der Moment zwischen Tod und Verfall, die Schönheit der Tiere nicht dauerhaft festgehalten werden konnte. Vor sechs Jahren erlernte sie dann die Tierpräparation, welche Polly für ihrer Kunst einsetzt. Sie erschafft Skulpturen zwischen Sein und Vergehen, welche die Fragilität einerseits, aber auch die Kraft des Lebens andererseits unterstreichen. Die Künstlerin zeigt Unerwartetes. Überraschendes. Auch Verwirrendes. Rätselhaftes. Bilder, welche eine neue Perspektive auf die kleinen Lebewesen ermöglichen. Eine Erkundung des Triumphs des Lebens über den Tod und den Zyklus des Lebens mit all seiner Vergänglichkeit. Mit ihren Werken haucht die britische Künstlerin dem Tod neues Leben ein.
Ihr Arbeitsmaterial – die Körper toter Ratten, Mäuse, Hasen, Katzen, Raben und diverser anderer kleiner Tiere – bewahrt sie in einer Gefriertruhe in ihrem Atelier auf. Direkt neben dem Fach mit tiefgefrorenem Essen. Über der Tiefkühltruhe hängt eine Tafel mit einer Liste der aktuell vorhandenen Tiere. Eine skurril wirkende Szenerie. „Es war keine bewusste Entscheidung, wo ich dachte: ‚Ich will der sonderbare und unheimliche Typ sein’“, erklärt die Künstlerin. „Meine Natur war es immer, in eine andere Richtung zu gehen.“ Und Polly Morgan hat eine hohe Achtung vor dem Leben: „Obwohl mich meine Mutter die ganze Zeit morbide nennt, hasse ich den Tod.“ Für ihre Arbeit verwendet sie keine Tiere, die ihretwegen getötet wurden bzw. werden.
Polly Morgan belebt die Körper „ihrer“ Tiere neu, um sich sogleich von der Tradition der Tierpräparation zu lösen und neue metaphorische Sichtweisen zu erschaffen. Sichtweisen, die sich nicht zwangsläufig auf den ersten Blick erschließen – manche Betrachtung bleibt rätselhaft. Der Körper als Zierde, in der Gesamtheit der Darstellung aber auch teils Mahnung und Denkanstoss.
Memento moriendum esse – Sei eingedenk, dass zu sterben ist!
Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Polly Morgan.
www.pollymorgan.co.uk
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