„Erzählt von euren Facetten, euren Leidenschaften. Berichtet von dem Teil oder Teilen der schwarzen Szene, den ihr euch herausgepickt habt, den ihr auslebt oder mitgestaltet. Schreibt ein Gedicht, werdet lyrisch oder präsentiert eure schönsten Bilder.“ Leidenschaften in Worte fassen. Keine leichte Aufgabe, welche Robert und Shan Dark diesmal im Rahmen des monatlichen „Gothic Friday“ stellten.
Der Ursprung meiner wohl größten Passion liegt im Jahr 1985. Damals belegte ich an der Schule einen Fotokurs. Die Gründe hierfür sind mir entfallen (es handelte sich dabei jedenfalls um keine Pflichtveranstaltung). Für diesen Zweck schaffte ich mir meine erste Spiegelreflexkamera an. Ich muss sicherlich nicht erwähnen, dass dieses Modell der Marke „Quelle/Revue“ zu jener Zeit noch vollkommen ohne digitale Technik ausgestattet war. Der Film musste per Hand nach jeder gemachten Aufnahme selbst weiter transportiert werden. Automatische Einstellungen gab es nicht. Wenn der Film voll war, wurde eine Kurbel betätigt, um ihn komplett zurück in die Patrone zu drehen. Dies erscheint mir mittlerweile ausgesprochen altertümlich. Wie aus einer vollkommen anderen Zeit oder fernen Welt. Vermittelt wurde mir in dem erwähnten Kurs das nötige Handwerkszeug. Belichtungszeit, Blende, goldener Schnitt, Schärfentiefe, Entwicklung der Filme und Anfertigung von Abzügen. Der Grundstein war gelegt. Doch der Blick für eine interessante Aufnahme und das leidenschaftliche Abbilden des Lebens mit seinen schönen und auch traurigen Seiten entwickelte sich erst deutlich später.
Jeder kann knipsen. Auch ein Automat. Aber nicht jeder kann beobachten.“
Friedrich Dürrenmatt
Schweizer Schriftsteller, Dramatiker und Maler
(1921-1990)
Erst etwa zehn Jahre später – mit mittlerweile über zwei Jahrzehnten Lebenserfahrung – änderte sich mein Bezug zur Fotografie. Ich wollte nicht mehr einzig für das persönliche Album oder den Schuhkarton auf den Auslöser drücken. Bilder sollten fortan den Betrachter fesseln. Nachdenklich stimmen. Berühren. Stimmungen vermitteln. Die Ästhetik des menschlichen Seins widerspiegeln. Nach und nach wurde die Wandlung vom Knipser zum Fotografen vollzogen.
Sicherlich nicht unwesentlich von der „schwarzen“ Subkultur beeinflusst, entdeckte ich nach bzw. neben der Schwarz-Weiß-Porträt- und Aktfotografie das besondere Flair und die beeindruckenden Motive europäischer Friedhöfe. Skulpturen mit lebendigen Gesichtern, welche die unterschiedlichsten Gefühle zeigen. Verwitterte Kreuze und Grabsteine, die in die Vergangenheit entführen. Kleine und große Details voller atemberaubender Schönheit zwischen Schwermut und Hingabe.
Meine Vorliebe für melancholische Sichtweisen spiegelt sich zudem in zahlreichen Aufnahmen, welche in verlassenen und leerstehenden Gebäuden mit ihren darin nachschwingenden Geschichten entstanden sind, wider. Von übermütiger Kinderhand eingeworfene Fensterscheiben mahnen die Vergänglichkeit an. Efeugirlanden erobern die Außenmauern und schleichen sich unaufhaltsam in das Innere der Gebäude. Türen, die sich quietschend öffnen; deren Lack langsam abblättert und den Zugang schon fast wie einen individuellen Kunstgegenstand wirken läßt. Gleißendes Sonnenlicht fällt durch ein mit den Jahren trübe gewordenes Fenster, eingerahmt von verschlissenen, ergrauten Gardinen, auf eine zerknitterte Schwarz-Weiß-Fotografie auf dem Boden. Spinnweben umfassen ein Dreirad aus Holz, dessen Farbe schon vor langer Zeit verblaßt ist. Bildhafte Gedanken zum Werden, Sein und Vergehen.
Fotografieren, das ist eine Art zu schreien, sich zu befreien…
Es ist eine Art zu leben.“Henri Cartier-Bresson
Französischer Fotograf, Regisseur, Schauspieler, Zeichner und Maler
(1908-2004)
In den letzten Jahren entwickelte sich zunehmend der Wunsch und der Drang, Gefühle, Stimmungen, die Sicht auf die Welt und die Menschen abzubilden. Nachrichten, Zitate, Filme, Bücher, Erzählungen – das tägliche Leben inspiriert mich wiederholt zu fotografischen Inszenierungen (teils inklusive entsprechender Bildbearbeitung). Zuweilen nachdenklich und kritisch.
10 Comments
Deine Bilder faszinieren mich! Sie lassen wunderbar Geschichten erahnen und transportieren toll die dahinterstehenden Botschaften.
Hi!
Deine Leidenschaft für die Fotografie
finde ich ganz wunderbar und die hier
ausgestellten Bilder sind wirklich schön
und sehr ausdrucksstark! 🙂
Dunkle Grüße
Melle
Hach, das sind Bilder hier!! Faszinös. Ich finde auch die Zitate wunderbar gewählt. Schön, wie Du diese Passion mit Haut und Haar lebst!
Danke für den tollen Beitrag.
Faszinierend.
Auch ist es immer wieder beeindruckend, mit welch starken Kontrasten man bei s/w-Aufnahmen arbeiten kann, ohne dass es einem vom Motiv übel genommen wird.
»Der Gebrauch einer Kamera ist ähnlich dem eines Messers: Man kann damit Kartoffeln schälen, aber auch eine Flöte schnitzen« soll ein Erich Kahlmeyer gesagt haben. Und solche Arbeiten dienen immer wieder als Beweis.
Wirklich großartige Bilder, die mir eines definitiv sagen: Ich muss öfter mit dem Sucher auf die Suche gehen.
Hut ab, die bisher stärksten Bilder, die ich bei diesem Gothic-Friday sehen durfte. Vielen Dank!
Deinen Beitrag habe ich erst eben entdeckt (wo war der nur die ganze Zeit) und muss dir sagen, dass mir deine Bild-Kompositionen unheimlich gut gefallen! Ich finde es immer erstaunlich, was man mit einem Foto ausdrücken kann, besonders, da sich nicht alle Motive für s/w-Aufnahmen eignen.
Wunderschön mit einer passenden Portion Anregung zum Nachdenken … ich liebe Bilder die mich zum Nachdenken anregen, wie Deine Werke *hinundwegbin*
[…] Marcus Rietzsch vermag sogar den Gedanken seiner und sicher auch der Motivwahl aller Teilnehmer, Worte zu verleihen: »Von übermütiger Kinderhand eingeworfene Fensterscheiben mahnen die Vergänglichkeit an. Efeugirlanden erobern die Außenmauern und schleichen sich unaufhaltsam in das Innere der Gebäude. […] Gleißendes Sonnenlicht fällt durch ein mit den Jahren trübe gewordenes Fenster, eingerahmt von verschlissenen, ergrauten Gardinen, auf eine zerknitterte Schwarz-Weiß-Fotografie auf dem Boden. Spinnweben umfassen ein Dreirad aus Holz, dessen Farbe schon vor langer Zeit verblasst ist. Bildhafte Gedanken zum Werden, Sein und Vergehen.« Wie tief seine Leidenschaft ist, lässt sich nur erahnen, wenn man seine zahlreichen Fotografischen Arbeiten an sich vorbeiziehen lässt. […]
Die Fotos in den Ruinen sind besonders schön. Ich versuche mich auch daran. 🙂