Nicht unweit von Mailands Zentrum liegt der Il Cimitero Monumentale – der Friedhof der Monumente. Schon vor dem Betreten des Geländes kann man die Namensgebung leicht nachvollziehen. Ein Platz umgeben von beeindruckenden Bauten erwartet den Besucher. Im Inneren stößt man auf allerlei Skulpturen und Wände voller Urnengräber. Hohe Wände. Die oberen Gräber sind nur mittels einer verschiebbaren Treppe zu erreichen. Man erhält den Eindruck, dass die Mailänder ihre verstorbenen Angehörigen sehr oft besuchen – sind doch die meisten der Urnengräber mit Blumen geschmückt. Bei näherer Betrachtung erweist sich dies aber als Trugschluss: es handelt sich in der Mehrzahl um künstliche Blumen, die wohl schon seit Jahren und Jahrzehnten an dieser Stelle verweilen.
Tritt man in den Außenbereich des großen Friedhofs, überfällt einen eine Art Schwindelgefühl. Skulpturen wohin man blickt. Hunderte und Aberhunderte. Scheinbar unendlich viele Augenpaare voller Leben. Voller Emotionen. Beobachtend. Klagend. Lachend. – Jesusbildnisse. Engel. Trauernde Menschen. Marienfiguren. Küssende und sich anschmachtende Liebespaare. Sogar steinerne Außerirdische. Und erotische Darstellung. Ja, ja, die keuschen italienischen Katholiken. Hier haben sie ihrer Phantasie freien Lauf gelassen. Eine unvergleichliche Vielfalt auf engstem Raum. Mit den großen deutschen Friedhöfen in Hamburg, Leipzig oder Köln kaum zu vergleichen – ist dort doch alles weiträumiger und großzügiger angelegt. Wer ungern zu Fuß unterwegs ist, dürfte dafür sehr dankbar sein. Im Gegensatz zu den deutschen Friedhöfen sieht man in Mailand kaum Efeu und ähnliche naturbelassene Gewächse. Der Friedhof macht einen sehr aufgeräumten Eindruck. Eine ältere Dame putzt eine Marmorgrabplatte mit einem Wischmopp. Ein etwas befremdlicher Anblick.
Neben den vielen Skulpturen fallen zahlreiche monumentale Gräber auf. Gräber? Nein, das sind schon richtige Gebäude. Kleine Kirchen. Kathedralen. Pyramiden. Diese stehen ebenfalls dicht an dicht. Als Besucher hat man es schwer, diese überhaupt in ihrer Gesamtheit und Größe zu erfassen. Viele Details. Es gehen einem die Augen über.
Gegen 17 Uhr ertönt unerwartet eine laute Sirene. Sollte dies schon das Signal für die Schließung des Friedhofs sein? Ein ungewöhnlich früher Zeitpunkt. Aus den hinteren Bereichen des Friedhofs hört man das Klingelgeräusch mehrerer Fahrräder. Plötzlich tauchen Männer auf, die abwechselnd die Klingel ihres Fortbewegungsmittels betätigen und ihren Schlüsselbund geräuschvoll schwingen. Eine merkwürdige, ungewöhnliche und auch witzige Situation. So werden die Besucher in Mailand also zum Gehen „überredet“…
Einige der in Mailand entstandene Friedhofsimpressionen sind neben vielen anderen auch im Buch „…wenn wir nie träumten“ zu sehen.
5 Kommentare
[…] Die »Stille« von Mailand | Gedankensplitter hinter Glas Wenn Marcus Rietzsch einen Blog eröffnet, dann mit Bildern. Und was für welchen. Der umtriebige Universalpublizist aus Oberkotzau hat sich die Inspiration nicht nehmen lassen und ein eigenes Mosaik seiner Gedankensplitter gelegt. Der Artikel über den Mailänder Friedhof »Cimitero Monumentale« ist ein imposanter Einstieg: »Tritt man in den Außenbereich des großen Friedhofs, überfällt einen eine Art Schwindelgefühl. Skulpturen wohin man blickt. Hunderte und Aberhunderte. Scheinbar unendlich viele Augenpaare voller Leben. Voller Emotionen. Beobachtend. Klagend. Lachend. – Jesusbildnisse. Engel. Trauernde Menschen. Marienfiguren. Küssende und sich anschmachtende Liebespaare. Sogar steinerne Außerirdische. Und erotische Darstellung. Ja, ja, die keuschen italienischen Katholiken. Hier haben sie ihrer Phantasie freien Lauf gelassen.« […]
Ein echt toller Bericht, schön geschrieben und zu lesen. Auch die Bilder und Details finde ich klasse eingefangen. Nur eins als Anregung: ich hätte auch gern mal ein Foto des kompletten Friedhofs oder von Gräberreihen gesehen, also nicht nur Statuendetails. Du hast die Anlage des Friedhofs zwar schön beschrieben, aber ein Bild würde das noch mal für so visuelle Typen wie mich schön unterstreichen. 😉
Danke für Deinen netten Kommentar. Sicherlich hast Du recht: Eine Übersichtsaufnahme wäre so verkehrt nicht gewesen, aber zum einen wäre es schwer gewesen, die Gesamtheit auf einem Foto ansehnlich zu erfassen, zum anderen haben mich die knappen Öffnungszeiten doch ziemlich überrascht. Der Friedhof wurde ja geschlossen, als die Lichtverhältnisse gerade optimal waren. Ich konnte so – trotz diverser Stunden Aufenthalt – auch nicht alle der in Hülle und Fülle vorhandenen interessanten Motive ablichten.
Unter http://www.monumentale.net gibt es einige 360°-Aufnahmen, welche aber leider das Monumentale nicht wirklich transportieren können.
Oh so anspruchsvoll, eine 360° Aufnahme zu verlangen, bin ich ja gar nicht ;-)!! So war das gar nicht gemeint. Ich meinte nur mal ein Foto von Grabern etwas weiter weg, vielleicht mit ein bisschen Flucht. Aber ich hab mir auf der von dir geposteten Seite mal ein Bild machen können.
[…] findet ihr im Blog des passionierten Fotografen Marcus “Pfingstgeflüster” Rietzsch Gedankensplitter-hinter-Glas und auch in diesem Forum einer österreichischen […]