„Norwegen sehen und wiederkehren“ – mit diesen von einem Goethe-Zitat abgeleiteten Worten beendete ich den Bericht über meine erste Reise in das Land der Wikinger im Jahr 2007. Ein Jahr später hatte mich das Fernweh erneut gepackt. Norwegen. So faszinierend, dass ich einfach wiederkehren musste, um weitere überwältigende Seiten kennen zu lernen. Ein weiteres berühmtes, sehr frei übersetztes Zitat von Konfuzius trifft auf Norwegen zu, wie auf kaum ein anderes Land: „Der Weg ist das Ziel.“ Nach jedem Tunnel, nach jeder Kurve, jeder Kuppe ergaben sich neue, intensive Ausblicke. Bei meiner Reise von Süden nach Norden und zurück eröffnete sich mir eine unglaubliche Vielfalt an Farben und Formen und unzählige unvergessliche Erlebnisse.
Beispielsweise oberhalb des Polarkreises in arktischen Regionen barfuss über einen karibisch weißen Strand laufen, auf türkisgrünes Wasser blicken und darin auch mal ein kurzes Bad wagen. Zugegebenermaßen wurden bei dieser Begegnung nur Bereiche weit unterhalb der Kniescheiben mit dem erfrischenden, aber auch eiskalten Nass benetzt. Für einen verweichlichten Mitteleuropäer mit einem durchschnittlich ausgestatteten Kälteempfinden wie mir grenzte das Verhalten einiger Einheimischer an Masochismus. Die wärmende Sonne sorgte zwar für diverse Schweißtropfen auf dem Körper, aber die Vorstellung, sich komplett in die kühlen Fluten zu stürzen, kam mir dann doch etwas zu tollkühn vor.
Aber nicht nur die Sonne trieb mir Schweißperlen auf die Stirn. In Serpentinen angelegte Schotterstraßen erhöhten den Puls und sorgten für eine rasant ansteigende Produktion von Adrenalin. Insbesondere wenn sich Wolken in Sekundenschnelle auf den Weg „legten“ und plötzlich und unvorhersehbar einige Schneeflocken fielen. Aber irgendwo müssen ja die meterhohen Schneewände, die bei der einen oder anderen Passüberquerung am Straßenrand „entdeckt“ wurden, herkommen. Düstere kahle Hochebenen mit endlos hohen Straßenmarkierungen, zugefrorene Seen mit türkisfarbenem Eis und einer Stille, welche höchstens durch den Wind und einige wenige Reisenden durchbrochen wird – eine unwirkliche, ja fast mystische Stimmung. Nebel, der dicht über dem Boden kurz auf einer Lichtung verweilt, um sich dann plötzlich in Bewegung zu versetzen, über die Straße zu wandern und im Wald zu verschwinden, lässt Geschichten von Trollen und Elfen fast greifbar werden. Eines dieser, den Atem raubenden norwegischen Naturschauspiele soll Edgar Allan Poe zu „Sturz in den Mahlstrom“ inspiriert haben. Auf meiner Route befand sich so ein Mahlstrom. Die Beobachtung des Saltstraumen, welcher als der größte Gezeitenstrom der Welt gilt, ist ein Erlebnis der besonderen Art. Durch eine schmale Lücke zwischen Meer und Fjord werden bei Gezeitenwechsel Millionen von Kubikmeter Wasser gepresst. Es entstehen starke Wasserwirbel. Das Meer scheint zu Kochen.
Wie auf einer Website zum Thema Norwegen zu lesen war, begegnen einem im Norden des Landes während des Sommers wiederholt verwirrte Touristen, die das Zeitgefühl vollkommen verloren haben. Diese Aussage kann ich nur bestätigen. War ich doch selbst einer dieser „desorientierten“ Menschen, der dem Griff zur Sonnenbrille des Öfteren den erstaunten Blick auf die Uhr folgen lies. Zwanzig Minuten nach ein Uhr. Nachts. Die Sonne stand am Horizont und tauchte die Landschaft in ein traumhaftes Licht. Kräftige Farben, welche man in dieser Intensität sonst nicht wahrnehmen kann. Ein Gänsehautgefühl.
Berge, Seen, Wälder – vollkommen menschenleere Landschaften aus grauer Vorzeit. Einzig ein am Horizont auftauchender Flugsaurier hätte die Szenerie noch perfekt ergänzen können. Tosende Wasserfälle. Jeder einzelne herabfallende Tropfen schimmert im gleißenden Sonnenschein. Grüne Wiesen wie auf einer Modelleisenbahn. Farbenprächtige Wildpflanzen. Steile, nackte Felswände, die dem blauen Himmel entgegenstreben, lassen die Menschheit und ihre moderne Zivilisation unbedeutend erscheinen. Felsiger Waldboden von bis zu 20 cm dickem Moos bedeckt. In großen Abständen wachsen auf glattem Stein dünne, kleine Bäumchen. Ein bizarrer Anblick. Spiralförmig gedrehtes Holz. Abgestorbene Bäume erzeugen kunstvolle Bildnisse. Elche, welche in aller Gemütlichkeit ihre Mahlzeit am Straßenrand einnahmen. An Neugierde und Frechheit kaum zu überbietende Eichhörnchen und vagabundierende Jungrinder, die Cornflakespackungen und Plastiktüten erforschten und Handtücher stibitzten. Wilde Rentiere auf einer Hochebene. Seeadler, Möwen und andere interessante Vögel – auch das Tierreich sorgte für lustige und spannende Momente…
2 Kommentare
Jetzt reichts aber langsam! Sonst muss ich da wirklich bald hin!! Dabei dachte ich Norwegen erschöpflich im entsprechend ähnlichen Fleckchen von Neuseeland abgehakt zu haben…
Oh, es reicht noch lange nicht 😉 Die eine oder andere Norwegen-Aufnahme wartet auf der Festplatte noch sehnsüchtig auf Veröffentlichung…