Erst auf den zweiten Blick entdecke ich unweit der ehemaligen Grenze, die Berlin mehrere Jahrzehnte in Ost und West teilte, in einem kleinen Waldstück vereinzelt graue Steine. Ziemlich unscheinbar liegt der ehemalige Katholische Friedhof Charlottenburg direkt neben der zweispurigen B5. Die meisten Autofahrer rasen an dem aufgelassenen Gottesacker vorbei, ohne diesen zu beachten. Ich hingegen bin neugierig und steuere die Ausfahrt an. Kein Zaun beschützt diesen kleinen Rest der „Letzten Ruhe“. Einzig ein Gedenkkreuz und einige Namenstafeln weisen den Vorbeieilenden auf den ehemaligen Nutzungszweck dieses Ortes hin. Vorbei an großen alten Bäumen betrete ich den Friedhof. Die kleinen Pfade zwischen den Grabstellenreihen sind nur selten zu erkennen. Gras, Moos, Gebüsch und vor allen Dingen die dunklen Blätter des Efeus haben Besitz von den Wegen eingenommen. Wo die hölzernen Riesen Sonnenflecken auf dem Waldboden zulassen, drängen sich kleine Wildblumen in Blau, Weiß und Gelb. Stellenweise entdecke ich aufrecht stehende Grabsteine. Beim Umherstreifen fällt mein Blick wiederholt auf vor langer Zeit umgestürzte Steine und zerbrochene Platten. Verblasste Inschriften zeugen von einem hohen Anteil slawischer Herkunft der einst an dieser Stelle Ruhenden. Das Grün des Efeus umschließt Bäume und Gräber gleichermaßen.
Wie ich später erfahre wurden auf diesem Friedhof während des NS-Regimes 430 Kriegsgefangene, Verschleppte und Zwangsarbeiter beigesetzt. Nach Kriegsende überführte man einen Großteil der Verstorbenen in ihre Heimat oder bettete sie von dem nun im Ostteil gelegenen Friedhof auf eine Begräbnisstätte im französischen Sektor um. Bis in die 50er-Jahre fanden hier Beerdigungen statt. Danach wurde der Friedhof der Natur übergeben. Ausgewaschene Schriften, unkenntliche Buchstaben. Grabsteine werden wieder zu dem, was sie ursprünglich waren: einfach nur Steine. Bruchstücke zwischen Kraut und Gras eingebettet. Die Zeit verrinnt…
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[…] Vergangen, vergessen, verlassen: Katholischer Friedhof Charlottenburg bei Staaken | Gedankensplitter hinter Glas Wieder einmal hat Marcus einen verlassenen Friedhof erforscht. Bewaffnet mit Kamera und der Leidenschaft für das morbide macht er sich auf eine bebilderte Erkundungstour: “Erst auf den zweiten Blick entdecke ich unweit der ehemaligen Grenze, die Berlin mehrere Jahrzehnte in Ost und West teilte, in einem kleinen Waldstück vereinzelt graue Steine. Ziemlich unscheinbar liegt der ehemalige Katholische Friedhof Charlottenburg direkt neben der zweispurigen B5. Die meisten Autofahrer rasen an dem aufgelassenen Gottesacker vorbei, ohne diesen zu beachten. Ich hingegen bin neugierig und steuere die Ausfahrt an. Kein Zaun beschützt diesen kleinen Rest der „Letzten Ruhe“. Einzig ein Gedenkkreuz und einige Namenstafeln weisen den Vorbeieilenden auf den ehemaligen Nutzungszweck dieses Ortes hin.” […]