Eine anfangs unendlich erscheinende Stille wird wiederholt durchbrochen vom Knistern des trockenen Laubs unter meinen Schritten. Fast schuldbewusst schaue ich mich um, weil ich diese Ruhe störe. Abgestorbene Bäume ragen schauermärchenhaft zwischen lebenden Baumriesen empor, die an Wesen aus phantastischen Erzählungen erinnern. Wie Wächter des Waldes, die auf seltene Eindringlinge ein wachsames Auge werfen. Ich klettere über kreuz und quer am Boden liegende Stämme, deren Holz unter der Belastung meines Gewichts zerbröseln wie trockenes Brot. Monochrome Farben bestimmen die leicht unheimliche Atmosphäre.
Absolute Menschenleere. Einzig alte Botschaften, die an der Rinde riesiger Buchen zu entziffern sind, zeugen von der früheren Anwesenheit der Menschheit an diesem fast urzeitlich erscheinenden Fleck. Vor Jahrzehnten eingeritzt von menschlichen Händen. Namen teilweise in kyrillischen Schriftzeichen. Daten, die teils viele Dekaden zurückreichen und weit vor meiner Geburt liegen.
Meine Suche nach spannenden Fotomotiven in verlassenen Kasernen führte mich in diesen urzeitlich erscheinenden Wald. Anfangs noch auf befestigten Wegen, die von Zivilisation zeugen. Doch schnell schlug ich, brummenden Baufahrzeugen ausweichend, einen kleinen Nebenweg ein, der jedoch bereits nach knapp 100 Metern endete. An moorigen Flächen auf nachgebenden Grasinseln entlang balancierend verschlang mich unmerklich der Wald. Ein Wald ohne forstwirtschaftliche Nutzung und Betreuung.
Aus dem Nichts taucht eine Rehfamilie auf, um gleich wieder im schützenden Dickicht zu verschwinden. Das Knarren und Krächzen der Bäume, die sich im Wind wiegen, lassen mich kurz aufhorchen. Mitten in dieser zauberhaften Welt erblicke ich ein altes Autowrack. Ohne Weg, ohne Steg, ohne einen ersichtlichen Zugang liegt es da. Ich zücke die Kamera. Ein kleiner gefiederter Bewohner entfernt sich laut schimpfend von dieser unangemeldeten Fotosession.
Bin ich Eindringling oder Gefangener? Entlang an kleinen plätschernden Bachläufen, die mir den Weg vorschreiben, genieße ich die Ursprünglichkeit. Wasserflächen mit giftgrünen Farnen und anderen Pflanzen ziehen an mir vorüber. Pilze an Bäumen erscheinen wie Trittleitern. Zahlreiche Löcher zeugen von der Anwesenheit vieler Spechte. Kurz bevor die Sonne untergeht und die Szenerie in unendliche Dunkelheit hüllt, führen mich die natürlichen Wegweiser aus dem Wald hinaus…
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