Original: Hüsker Dü
„Hüsker Dü“ – ein ungewöhnlich klingender Bandname, der sich aus der norwegischen Sprache ableitet. „Husker Du?“ heißt soviel wie „Erinnerst Du Dich?“. Und Songwriter Grant Hart (Gesang, Schlagzeug) erinnerte sich für das Musik- und Kulturmagazin Intro an die traurigen Hintergründe zu einem ihrer bekanntesten Titel:
Als ich ‚Diane‘ schrieb, herrschte in Minneapolis Angst vor einem Monster, das junge Frauen vergewaltigte und ermordete. Diane Edwards war 1980 auf dem Heimweg von ihrer Arbeit als Kellnerin in St. Paul, Minneapolis gewesen und von der Straße entführt worden. Augenzeugen hatten gesehen, wie sie in einen Kombi gezogen wurde. Die Entführung hatte eine Meile von dort, wo ich aufwuchs, stattgefunden. Viele Freunde kannten sie und ihre Familie. Ich nicht. Überall, wo damals Konzertplakate hingen, waren nach dem Mord Plakate angeklebt, auf denen eine Belohnung ausgeschrieben war, die sich kontinuierlich erhöhte.
Eines Abends spielte ich bei einem Soundcheck Greg Nortons Bass und entwickelte die Grundstruktur des Songs. Nichts Schwieriges. Nur drei Akkorde, die sich immer wiederholten. Jeder konnte das Stück lernen. Sogar Greg Norton. Zurück im Backstage-Raum schrieb ich den Text und wir spielten den Song noch am gleichen Abend, an dem er geschrieben wurde, live.
Für uns war er das dringend benötigte Midtempo-Stück, bei dem wir eine kurze Pause von all dem schnellen Zeug einlegen konnten, das wir damals machten. Wir haben den Song eine Zeit lang sehr oft gespielt, dann nicht mehr. Für die EP ‚Metal Circus‘, die 1983 erschien, wurde er wieder hervorgekramt. Er war da schon circa zwei Jahre alt. Der älteste Song auf der Platte. Schon als sich Hüsker Dü trennten, hatte eine Reihe von Bands das Lied gecovert, es bekam ein Eigenleben.
Der Song wurde trotzdem der, mit dem man mich am meisten verbindet. Während meiner Solo-Auftritte wurde er sehr oft gewünscht. Irgendwann war ich es leid, immer die gleichen drei Akkorde in der gleichen Reihenfolge zu spielen. Aber die Leute wollten den Song immer noch hören, und genauso oft erfüllte ich ihren Wunsch, ich stumpfte ab. Was war nur los mit mir? Der Song war ja immer noch derselbe. Vielleicht lag es daran, dass das Publikum nur an den Song dachte und das Mädchen vergaß, dessen Ermordung alles inspiriert hatte.
Vielleicht wussten sie nie, dass der Song nicht nur ein Song, sondern auch eine Art Gedenkstein war. Ein guter Freund und ehemaliger Mitschüler, Paul Hilkoff, schickte mir später ein Buch, geschrieben von einem Familienmitglied eines anderen Opfers des gleichen Unmenschen. ‚Justice For Marlys‘ legte alle Abgründe des Mörders frei, dessen Namen ich nicht erwähnen möchte. Er war schlimmer, als ich es mir je hätte ausmalen können.
Die kleine Verbindung, die es durch den Song zwischen mir und ihm, dem Mörder, gab, führte plötzlich zu einem sehr unangenehmen Gefühl in mir. Es gibt keine Wörter, mit denen ich diesen Mann beschreiben könnte, der kein Mensch ist, sondern eine atmende Perversion. Das Buch gab mir einen neuen Blick auf den Song. Ich spielte ihn nicht mehr, außer für ein völlig nüchternes Publikum. Es fühlt sich schrecklich profan an, ‚Diane‘ von empfindungslosen Besoffenen geschrieen zu hören.
Wenn ich den Song heute spiele, erzähle ich vorher immer genau, wovon er handelt. Meine Bitte an alle Frauen: Schreit, schlagt, versucht alles, um wegzukommen. Tretet ihm in die Eier, reißt ihm die Augenbälle aus seinem beschissenen Gesicht. Versucht mit allen Mitteln, abzuhauen. Ich hoffe, ihr werdet Diane nicht vergessen.“
Kopie: Therapy?
Einen musikalischen Gänsehautfaktor – ganz unabhängig vom Text und der damit verbundenen Geschichte – bekam der Song aus meiner Sicht erst durch die Neuinterpretation von „Therapy?“ im Jahr 1995, als die irische Band auf ihrem kreativen Höhepunkt war. Intensiv und bewegend. Das schwermütige Cellospiel zog mich von Beginn an in seinen Bann. Martin McCarrick (damals noch bei „Siouxsie & The Banshees“, später festes „Therapy?“-Mitglied) verlieh mit seinem Cello in dieser Schaffensphase auch anderen Titeln (allen voran „Me Vs. You“) sowohl im Studio als auch auf der Bühne eine besondere und melancholische Note.
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