Vorbei an abgeernteten Getreidefeldern und Weiden mit Charolai-Rindern führt mich mein Weg durch Caudebec en Caux. Eigentlich will ich die kleine französische Ortschaft nur durchqueren, um mein nächstes Ziel zu erreichen. Doch im Augenwinkel erscheint über den Dächern der Häuser ein großes Gebäude. Imposant. Turmhoch. Und ansehnlich.
Inmitten eines schönen und nostalgisch anmutenden Gebäudeovals erhebt sich eine spätgotische Kathedrale. Als ich meine Entdeckungstour starte, ist es noch früher Vormittag. Kaum eine Menschenseele kreuzt meinen Weg. Über der 2200-Seelen-Gemeinde liegt Stille. Aus einem kurzen Aufenthalt sollte ein mehrstündiges Erkunden werden. Die Augen können die Größe und vor allen Dingen die unwahrscheinlich vielen Details kaum erfassen. Seltsame Wasserspeier. Filigrane Stützbögen. Bänder und Bögen aus Sandsteinfiguren. Wie durchbrochenes Spitzengewebe. Die immer unterschiedlichen Figuren sind etwa 20 cm hoch. Meine Hochachtung den damaligen Steinmetzen! Traurig anzusehen, wie der Zahn der Zeit in den Jahrhunderten am Sandstein „gearbeitet“ hat. Noch gibt es erkennbare kleine Gesichter und Körper. Abbilder von Heiligen und Musikern – einem Setzkasten gleich in Reihen nebeneinander vereint. Eingefasst von winzigen Schlaufen, Kuppeln, Streben, Bögen. Sandsteinbordüren, die mich an filigrane Holzschnitzarbeiten erinnern. Weit oben erkenne ich eine mit großen gotischen Buchstaben gestaltete Balustrade. Zu lesen sind Teile des Magnificat, einem Lobgesang Marias.
Im Innern scheint es noch stiller zu sein. Nahezu totenstill. Einzig das hallende Klicken der Kamera durchbricht diese Geräuschlosigkeit. Durch die weit oben befindlichen Fenster mit kirchlichen, aber auch weltlichen Motiven fällt Licht, welches das Kreuzrippengewölbe sanft beleuchtet. Bögen, Säulen, eine alte Orgel und Gemälde tragen zusätzlich zu einer besonderen Atmosphäre bei.
Es wird behauptet, dass Heinrich der IV. von dieser Kirche schwärmte und sie als die „schönste Kapelle seines Königreichs“ bezeichnete. Wie ich so nach außen trete, gen Himmel blicke und sich der etwa 150 Meter hohe Glockenturm vor den hellen Wolken abzeichnet, kann ich das sehr gut nachvollziehen. Zumindest hat mich bis zum heutigen Tag kein Kirchenbauwerk so in seinen Bann gezogen. Die Details sind phantastisch. Die Fallrohre enden als weit aufgerissene Mäuler. Ansichten, die erst der zweite Blick entdeckt. Lange umkreise ich dieses imposante Gebäude. Es ist nicht einfach, es in Gänze abzulichten. Die Bebauung ist dicht. Doch die Augen haben alles aufgenommen. Und dieses Bild bleibt.
Abschließend suche ich noch eine Boulangerie in Sichtweite auf. Schon zuvor fielen mir diverse Menschen auf, die ein französisches Klischee erfüllten, dem ich nun auch gerecht werden wollte: So strebe ich nun mit zwei dünnen langen Baguettes unter dem Arm und einigen süßen, kleinen Leckereien zufrieden meinem Gefährt entgegen – voller Spannung und Freude auf weitere Entdeckungen…
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