Ungeachtet der Schließung von vor über dreieinhalb Jahrzehnten trotzt der massive Beton der wuchtigen, in den Himmel ragenden Fördertürme dem Lauf der Zeit. Doch der Verfall ist nicht aufzuhalten. Zerbrochenes Glas, rostender Stahl, wuchernde Natur. Obwohl nur mit der Kamera bewaffnet, fühle ich mich doch ein wenig wie ein Geier, der auf der Suche nach Verwertbarem die letzten Knochenreste umdreht.
An Haken hängen ein paar Arbeitsjacken. Undefinierbar in der Farbe. In Fächern befinden sich fein säuberlich aufbewahrt und durchnummeriert mehrere Atemschutzmasken. Einige Stechkarten befinden sich feinsäuberlich an dem für sie vorgesehenen Platz. Als würden auch heute noch Bergleute die Stechuhr bedienen, um anschließend geisterhaft durch das Bergwerk zu huschen und Kohle zu fördern. Für immer und ewig? In der Werkstatt sind zwischen Trümmern die ehemaligen Arbeitsplatten erkennbar. Mit manchen Dächern ging die Zeit wenig gnädig um. Löcher geben den Blick gen Himmel frei. Efeu bahnt sich in langen Ranken den Weg hinab auf Hallenböden, wo das Grün von Moosen, Gräsern und Farnen immer umfangreichere Naturinseln bildet. Das oben scheinende Tageslicht, das erobernde Grün – fast heiter erscheint diese Stimmung.
Wie viele Menschen mögen in dieser Zeche ihren Lebensunterhalt verdient haben? Tagein, tagaus in mehreren Schichten unter Tage. In engen Gängen Kohle herausbrechend. Stickige Luft und Hitze. Staub. Und immer tausende Tonnen Gestein über den Köpfen. Beängstigend. Und dann das Ende. Die Tore wurden für immer geschlossen. Wie sehr mag es damals die Arbeiter, wie sehr die Gegend getroffen haben?
An vielen Stellen, in heruntergekommenen Gängen, in dunklen Ecken, auf begehbaren Dächern – bunte Kügelchen. Paintballspieler haben das Gelände scheinbar zu ihrem Refugium gemacht. Heute allerdings nicht – glücklicherweise. Ein Abenteuerspielplatz für erwachsene Kinder. Und ein beeindruckender Almanach mit Geschichten aus der Vergangenheit für Bildsucher wie mich. Die Stille, welche das Gelände eingenommen hat, wirkt fast schon beklemmend, aber auch geheimnisvoll. Nur zu erahnen die Geräusche der Maschinen und Fördertürme. Längst verklungen die Gespräche der Arbeiter.
Bevor ich der Zeche meinen Rücken zuwende, wage ich noch einen kurzen Blick zurück auf die unter Denkmalschutz stehende, burgenähnliche Anlage mit seinen riesigen Fördertürmen. Seit vielen Jahren nutzlos und verlassen. Wie lange mögen die Gebäude und deren Erinnerungen noch überdauern, ehe der endgültige und unwiderrufliche Verfall ein Ende setzt?
Tonspur: Stillste Stund – Untertage
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