Der Volkstrauertag ist das Erntedankfest der Rüstungsindustrie.“
Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig
Journalist und Kabarettist im November 2012
Der Volkstrauertag ist das Erntedankfest der Rüstungsindustrie.“
Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig
Journalist und Kabarettist im November 2012
Vor wenigen Minuten flüchtete ich mich noch in den Schatten, um mich vor den auf der Haut brennenden Sonnenstrahlen zu schützen. Doch das scheint eine Ewigkeit her zu sein. Filmreif schob sich Nebel vor die Sonne und verschlang nahezu in Sekundenschnelle gleichzeitig die französische Landschaft. Mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken. Ob dafür diese besondere Atmosphäre oder doch einfach nur die plötzlich fallenden Temperaturen verantwortlich sind – so genau kann ich diese Frage nicht beantworten und krame sogleich eine Jacke hervor. Die vormals in kräftige Farben getauchte Umgebung präsentiert sich nun monochrom Ton in Ton. Unwirklich. Mein Weg führt mich durch eine menschenleere Ortschaft. Der Tag neigt sich dem Ende entgegen. Ein kleiner Friedhof zieht meinen Blick magisch an. Ich durchschreite den durch kein Tor oder ähnliches „gesicherten“ Eingang und fühle mich umgehend wie ein Eindringling. Verstohlen schaue ich mich um. Als einziges zu vernehmendes Geräusch knirscht der Kies auf den Wegen zwischen den Gräbern unter meinen Schritten. (mehr …)
Erst auf den zweiten Blick entdecke ich unweit der ehemaligen Grenze, die Berlin mehrere Jahrzehnte in Ost und West teilte, in einem kleinen Waldstück vereinzelt graue Steine. Ziemlich unscheinbar liegt der ehemalige Katholische Friedhof Charlottenburg direkt neben der zweispurigen B5. Die meisten Autofahrer rasen an dem aufgelassenen Gottesacker vorbei, ohne diesen zu beachten. Ich hingegen bin neugierig und steuere die Ausfahrt an. Kein Zaun beschützt diesen kleinen Rest der „Letzten Ruhe“. Einzig ein Gedenkkreuz und einige Namenstafeln weisen den Vorbeieilenden auf den ehemaligen Nutzungszweck dieses Ortes hin. Vorbei an großen alten Bäumen betrete ich den Friedhof. Die kleinen Pfade zwischen den Grabstellenreihen sind nur selten zu erkennen. Gras, Moos, Gebüsch und vor allen Dingen die dunklen Blätter des Efeus haben Besitz von den Wegen eingenommen. Wo die hölzernen Riesen Sonnenflecken auf dem Waldboden zulassen, drängen sich kleine Wildblumen in Blau, Weiß und Gelb. Stellenweise entdecke ich aufrecht stehende Grabsteine. Beim Umherstreifen fällt mein Blick wiederholt auf vor langer Zeit umgestürzte Steine und zerbrochene Platten. Verblasste Inschriften zeugen von einem hohen Anteil slawischer Herkunft der einst an dieser Stelle Ruhenden. Das Grün des Efeus umschließt Bäume und Gräber gleichermaßen. (mehr …)
Eine anfangs unendlich erscheinende Stille wird wiederholt durchbrochen vom Knistern des trockenen Laubs unter meinen Schritten. Fast schuldbewusst schaue ich mich um, weil ich diese Ruhe störe. Abgestorbene Bäume ragen schauermärchenhaft zwischen lebenden Baumriesen empor, die an Wesen aus phantastischen Erzählungen erinnern. Wie Wächter des Waldes, die auf seltene Eindringlinge ein wachsames Auge werfen. Ich klettere über kreuz und quer am Boden liegende Stämme, deren Holz unter der Belastung meines Gewichts zerbröseln wie trockenes Brot. Monochrome Farben bestimmen die leicht unheimliche Atmosphäre.
Absolute Menschenleere. Einzig alte Botschaften, die an der Rinde riesiger Buchen zu entziffern sind, zeugen von der früheren Anwesenheit der Menschheit an diesem fast urzeitlich erscheinenden Fleck. (mehr …)
Inmitten von mächtigen Kapellen, Mausoleen, Sarkophagen, Kreuzen und Statuen erinnern – fast unscheinbar – verblichene, zerbrochene und aus ihren Rahmen gefallene Grabbilder an die Vergänglichkeit des Lebens. Ein Sinnbild für die Endlichkeit. Mich umtreibt die Frage, ob wohl noch ein Lebender diesen Menschen gedenken mag. Ob überhaupt noch ein Wissen ihres Seins vorhanden ist. Oder sind – ähnlich der Inschrift so manchen Grabsteins – die Namen dieser Verstorbenen aus den Köpfen der Lebenden längst verschwunden? Skulpturen stellen sich trotzig den widrigen Einflüssen der verschiedenen Jahreszeiten entgegen. Verwitterte Gesichter spiegeln die lange Zeit wider, in der das Leben gekommen und gegangen ist.