Als kleine Einstimmung auf das schon in wenigen Tagen beginnende Wave-Gotik-Treffen 2012 im Folgenden das „Vorwort“ des Pfingstgeflüster 2007.
Doppelt lebt, wer auch Vergangenes genießt.“
Marcus Valerius Martialis
ca. 40-102
römischer Dichter
Gefangen in Dunkelheit. Schwärzer als jede Nacht. Erdrückend lässt die Finsternis mir kaum Platz zum Atmen. Ein plötzliches Knarren der Treppendielen zum Dachboden durchbricht die Stille. Angenehme Lichtstrahlen fallen in meine Gruft, welche seit geraumer Zeit mein Zuhause ist. Sie strecken ihre Fühler nach mir aus. Sauerstoff umströmt mich. Oh, Sonnenschein, schöner Sonnenschein – niemals hätte ich gedacht, Dich so vermissen zu können. Ein älteres, mir vertrautes und ein jüngeres unbekanntes Augenpaar mustern meine Erscheinung. Trotz der vielen Momente abseits des Lebens scheine ich noch eine beachtliche Ausstrahlung zu besitzen. Ich vernehme Wortfetzen wie „vor 16 Jahren“, „als ich so jung war wie Du heute“ und „cooles Teil“. Ach ja, ich erinnere mich noch gut. (mehr …)
Das Licht des leuchtenden Vollmondes erhellte die Grabstellen. Gelegentlich schoben sich dunkle Wolkenfetzen vor den weißen Himmelskörper. Am Rande zeichnete sich die Silhouette eines Kreuzes ab. Der furchteinflössende Schatten einer hageren, kahlköpfigen Gestalt huschte über die Leinwand. Neben dem geheimnisvollen Rascheln der Bäume und dem furchteinflössenden Knistern in der Dunkelheit war nur leise Klaviermusik, die zusätzlich für Gänsehaut sorgte, zu hören. Die steinernen Augen der Büste Friedrich Wilhelm Murnaus beobachteten von seinem Grab aus die Vorstellung…
So oder so ähnlich könnte sich die Szenerie eines Nachts im Sommer 2003 abgespielt haben, als auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf im Rahmen einer „Friedhofsnacht“ ganz in der Nähe der Grabstätte des Stummfilmregisseurs der Klassiker „Nosferatu – eine Symphony des Grauens“ aufgeführt wurde.
Wild und märchenhaft präsentiert sich dieser weitläufige Friedhof vor den Toren Berlins. Geplant als Zentralfriedhof, weil innerstädtische Friedhöfe zu klein wurden. Auf schmalen Waldwegen taucht der Besucher abseits der lichten Hauptachsen in die Schatten hoher Bäume ein. Vorbei an sehenswerten Mausoleen, Grabwänden und Skulpturen. (mehr …)
Es schont der Krieg auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.“
Aus Wilhelm Tell
Von Friedrich von Schiller
1759-1805
deutscher Dichter und Philosoph
Langsam aber stetig schreiten die Arbeiten an meinem zweiten Bildband voran. Vor wenigen Tagen begab ich mich noch einmal auf Erkundungsreise durch einen leerstehenden Gebäudekomplex. In aller Abgeschiedenheit – einzig das Bellen eines Hundes und das Zwitschern diverser Vögel waren zu vernehmen – lief ich durch lange, vereinsamte Gänge, in denen sich die Schatten zurückgezogen zu haben schienen. Auf meinem Weg durchschritt ich kleine und große Räume. Beeindruckende Räumlichkeiten, an denen der Zahn der Zeit nicht spurlos vorübergegangen ist. Allgegenwärtig die Vergangenheit und die unerzählten Geschichten. Wiederholt durchbrach das Klicken der Kamera die Stille. Klick, klick. Begeistert untersuchte ich uralte Holzkrücken, Tablettendöschen mit kyrillischer Schrift und das verrostete Gestell eines Krankenbetts. Auf den Balkonen hatten sich diverse Bäume angesiedelt und bereits den Weg durch das Vordach gen Himmel gebahnt. Klick, klick. Die eine oder andere Aufnahme wird für den Bildband sicherlich noch Berücksichtigung finden.